Streetart in Berlin – historisch gewachsen und äußerst facettenreich

Streetart in Berlin – historisch gewachsen und äußerst facettenreich

In den 1970er- Jahren hielt die Streetart-Kunst vermehrt in der heutigen Hauptstadt von Deutschland Einzug. Zu dieser Zeit war Berlin noch in Ost- und Westberlin geteilt. Bis zur heutigen Anerkennung als moderne Kunstform war es indes ein weiter Weg. Vor allem die Jungendkulturen Punk und Hip-Hop hatten einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung in der Stadt. Städte wie New York und europäische Hochburgen wie Amsterdam und London galten hierbei als Vorreiter.

Street-Art in Berlin: Ausdrucksmittel Außenseiter in West und Ost

Zu diesem Zeitpunkt nahm die Mitte der Gesellschaft noch großen Abstand von der Streetart. Vielmehr nutzten die Außenseiter die Kunst zur eigenen Identitätsbildung, aber auch als Mittel der Kritik an gängigen Strukturen. Türkische Migranten, Punker und Hip Hopper integrierten häufig politische Botschaften in die Motive, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Im Laufe der Zeit entwickelten sich charakteristische Stilrichtungen und Techniken, was den Wiedererkennungswert der Bilder zusätzlich erhöhte. Häufiges Ziel der Graffit-Künstler: die westliche Seite der Berliner Mauer. Sie galt als Synonym für die Teilung Deutschlands. Auch in Ost-Berlin kam es zu einer vermehrten Entwicklung der Streeart-Kunst, wenngleich sich die Künstler hier regelmäßig den Repressalien der sozialistischen Machthaber ausgesetzt sahen. Nach zwischenzeitlicher Kriminalisierung ist die Kunstform hier längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen Architekten und Auftraggeber zahlen teils beachtliche Honorare für die Erstellung eines Kunstwerkes.

East Side Gallery: Streetart auf über 1300 Metern

118 Künstler aus 21 Ländern bemalten im Frühjahr 1990 das Teilstück der ehemaligen Berliner Mauer zwischen Mühlenstraße, Ostbahnhof und Oberbaumbrücke entlang der Spree. Da zu dieser Zeit einer der bedeutendsten politischen Umbrüche stattfand, verwundern die politischen Kommentierungen der Künstler kaum: Jeder reflektiert die Situation hier auf seine eigene Art und Weise, ohne den ästhetischen Anspruch zu vernachlässigen.  Nachdem der Zahn der Zeit an dem Mauerwerk nagt, folgte im Jahr 2009 eine Restaurierung. Nicht alle Künstler ließen sich für eine erneute Rekonstruktion ihrer Werke begeistern, weshalb mittlerweile einige Flächen komplett frei sind.

„Die geteilte Stadt“: Erinnerung an dunkle Zeiten

Gestaltet von Marcus Haas und umgesetzt von Xi-Design: „Die geteilte Stadt“ erinnert mit ihrer Aufschrift „Berlin 1961-1989“ ebenfalls an die Teilung der heutigen Hauptstadt. Verdeutlich wird die missliche Lage dieser Zeit durch die abgebildete Metapher des scharfen Messers, das sich durch das Fleisch in der Form von Berlin schneidet. Dieses Kunstwerk ist im Stadtteil Mitte zu finden.

„Astronaut / Cosmonaut“ von Victor Ash: Eines der vielen beeindruckende Murals in Kreuzberg

Bis heute gilt Kreuzberg als eines der wichtigsten Zentren für Streetart in Berlin. In dem Künstlerviertel tummeln sich eine Reihe von kreativen Köpfen, dementsprechend viel Wert wird auf die visuellen Ausdrucksformen gelegt. Der schwerelose „Astronaut /Cosmonaut“  an der Skalitzer Str. ist ein beeindruckendes Beispiel hierfür. Entstanden 2007, spielt er mit seinem Motiv und der Namensgebung auf den Wettlauf ins All an. In den 60er Jahren duellierten sich die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten darum, wer als erster die Weiten des Universums für sich entdecken kann.

Naturdarstellung im Berliner Streetart: Nature Morte und Elephant Playing with a Balloon

Auch die Darstellung der Natur nimmt in Berlin einen großen Stellenwert ein. Der Belgier Roa, ohnehin eine der am meisten vertretenden Künstler in Berlin, behandelt am Görlitzer Bahnhof in Kreuzberg das Thema Tod und Verfall. Hase, Storch und Rehbock hängen an einem Strick, Außerdem lässt sich ein totes Wildschwein und eine toter Stier erkennen. An der Wilhelmsstraße wartet ein weiteres, bekanntes Motiv: Jadore Tong zeigt beim „Elephant Playing with a Balloon“ einen Elefanten, der mit einem Ball in Form der Erde spielt. Passenderweise befindet sich direkt unter der Häuserfassade, an der das Murals gezeichnet, ein Basketball-Platz.

Mitte und Prenzlauer Berg: das Spiel mit den Dimensionen

Wie täuschend echt und realistisch Street Art sein kann, zeigen die großen täuschend echte Hände an der Brückenstraße in Berlin Mitte. Das Werk „Unter der Hand“ entstand 2014 und ist vom Thüringer Case Maclaim kreiert worden. Various & Gould spielen bei ihrer Mischung aus Siebdruck und Collage „Face Time“ ebenfalls mit den Dimensionen. Sie portraitieren dabei aber keinen echten Kopf, sondern setzen einzelne Teile zu einem gemeinsamen Gesicht zusammen. Realistischer und realitätsgetreuer geht es beim Projekt „The Wrinkles of the City“ zu, in dessen Rahmen der französische Künstler JR in Städten wie Shanghai, Los Angeles und Berlin großformatige Fotos von älteren Bewohnern zeigt, die weitreichende Veränderungen miterlebt haben. Damit huldigt die Street Art hier die Erfahrung und das Alter eines Menschen.

Fazit: Berlin und Streetart – ein Besuch lohnt sich

Diese Übersicht über die Streetart in Berlin behandelt lediglich einige wenige, ausgewählte Werke. Wer sich bei einem Besuch auf die vielen Murals konzentriert, wird nicht enttäuscht. Besonders am Prenzlauer Berg, in Kreuzberg und sogar in Mitte findet sich eine beeindruckende Dichte an tollen Kunstwerken. Es lohnt sich gar, unter diesem Motto eine Entdeckungstour durch die Stadt und seine Bezirke zu unternehmen.

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